Man kann es sich gut vorstellen, wie einst, zu einer besseren Zeit, die betuchten Bürger Wiens die Meisterstücke das Cafè vis-à-vis ihrer Lieblingskultureinrichtung, in der sie gerne so manch unterhaltsamen Abend verbrachten, genossen. Von diesem glamourösen Standort ist freilich noch viel verblieben, wenn auch so mancherorts mit der Zeit gegangen wurde.
Dies erkennt man beispielhaft am goldenen Bilderrahmen, welcher nicht etwa ein Gemälde eines berühmten Kunstschaffenden betont, sondern lediglich als Fassung für einen gewöhnlichen Televisionsapparat hinhalten muss. Zu Kaisers Zeiten hätte man solches Gerät, welches, so kann man nur spekulieren, wohl die Hauptaufgabe besitzt die Gäste von ihren Mehlspeisen mit der Übertragung eines Fußballspiels abzulenken, als Hexenwerk abgetan. Glücklicherweise waren während unseres Aufenthaltes weder Bild- noch Tonemissionen zu vernehmen, weshalb wir ohne Ablenkungen ein Augenmerk auf die Inneneinrichtung legen konnten. Dieser kann man ihr Alter ansehen, was keineswegs etwas schlechtes sein muss; ist dieses jedoch durch leichte Abnutzungsspuren offensichtlich geworden, wie im Cafè Gerstner der Fall, gilt es nachzubessern.

Natürlich braucht es in einem Cafè einen Tisch, wobei der uns gegebene Platz mit zwei kreisrunden Tischen ausgestattet war, was das lückenlose Zusammenstellen dieser freilich nicht möglich machte. Die hölzerne Tischplatte wird durch eine Glasscheibe geschützt. Was eine gute Idee ist, macht es doch sowohl die Reinigung als auch die Konservierung solch betagter Holzmöbel einfacher, doch wie so oft ist auch bei diesen Tischen zwischen der Glasscheibe und der Tischplatte ein Spalt, in dem sich so mancher widerspenstige Brösel verfangen mag. Die ebenso notwendigen Sessel sind mit rotem oder grünen Samt bezogen und werden auch nach längerem Aufenthalt nicht ungemütlich. Dass nicht jede mutige Entscheidung immer eine Richtige ist, zeigt sich bei der Farbe der Lampenschirme, die nicht wirklich zum Rest der Inneneinrichtung passt. Die Wände sind mit Bildern des Kaisers und Ablichtungen von Urkunden, die das Cafè Gerstner seinerzeit verliehen bekommen hat, geschmückt.
Das eigentliche Cafè befindet sich im mittleren der drei Stockwerke welche sich mit dem Namen Gerstner K. u. K. Hofzuckerbäcker rühmen dürfen. Im Erdgeschoss ist der Verkaufsraum für Kunden, die sich nicht auf der Wendeltreppe anstellen möchten um einen Sitzplatz zu lukrieren. Dort gibt es alle Torten, die auch den sitzenden Gästen serviert werden, und eine Auswahl an kleineren Mehlspeisen und Schaumweinen, die jedoch alle von ihrem hohem Preis geeint werden. Bei einem Blick auf die Einrichtung in dieser Etage an, wird bald ersichtlich wohin dieses Geld fließt; hier kann kein Makel ausgesprochen werden.
Direkt im Cafè findet sich auch eine sehr modern aussehende, und damit nicht zum restlichen Stil passende Bar, die wir, zusammen mit dem offenkundig präsentiertem reichhaltigen Angebot an Schaumweinen, gerne woanders oder gar nicht gesehen hätten.
Zwischen den drei Stockwerken führt ein Fahrstuhl und eine nicht allzu breite Wendeltreppe, auf der sich die wartenden Gäste bis in den Halbstock stauen, eine Sitzplatzreservierung ist dringen empfohlen. Für die Gäste hier scheint das Warten im Stehen auf der Stiege jedoch keine große Herausforderung zu sein, sind sie doch generell den jüngeren Generationen und Touristen, aber trotzdem dem gehobeneren Durchschnitt zuzuordnen.
Abschließen kann gesagt werden, dass das Cafè Gerstner durchaus der verliehene k. u. k. Hofzuckerbäcker Auszeichnung gerecht wird, auch wenn es sich stellenweise etwas dem Tourismus und der Moderne ergeben hat.