Café Landtmann

Allein die Tatsache, dass dieses Wiener Kaffeehaus seit 1873 existiert und berühmte Gäste wie Sigmund Freud bedienen durfte, ist ein Qualitätsmerkmal. Unser Besuch konnte den Erfolg vom Café Landtmann nur rechtfertigen. Eine unbeschreibliche, nostalgische -aber nicht auf eine in der Zeit stecken gebliebenen, sondern eine die guten Dinge jener Zeit mitgebrachten Art- Atmosphäre und Mehlspeisen ausgezeichneter Qualität erwarten einen.

Während einem Spaziergang von den altehrwürdigen Mauern der Universität zum Volksgarten übersieht man diese Institution der Wiener Kaffeehauskultur nicht so leicht. Von der Ferne sahen wir bereits den Schriftzug „Café Landtmann“. Vor dem Gebäude reihten sich mit Sonnenschirmen überdachte Sessel und Tische, die den Andrang im Sommer stillen sollten. Wir näherten uns dem Kaffeehaus und stießen auf eine Schlange, die vom Gebäude durch den daran angrenzenden Wintergarten bis in den Schanigarten reichte. Wider unserer Erwartungen kamen wir schnell in der Reihe voran und waren bald im Wintergarten. Der erste Eindruck ließ zu wünschen übrig: Die Muster von Sessel und Boden passten keineswegs zusammen. Auch die Tische erinnerten an jene eines mittelmäßigen Eissalons aus einem Dorf mit unter 500 Einwohnern. Doch der Eindruck verbesserte sich sofort, als wir das Gebäude selbst betraten. Zu unserer Linken befanden sich prall gefüllte Vitrinen mit allen erdenklichen Süßspeisen, der ganze Raum war begrenzt von reinweißen Wänden geziert von feinen Mustern. Vereinzelt fand man Säulen in eben diesem weiß, welche sich elegant bis zur Decke wanden. Der ganze Anblick war so märchenhaft wie der eines Kaffeehauses nur sein kann.

Die Kellnerin geleitete uns zu den Garderoben, wo unsere Mäntel abgenommen wurden. Sogleich fühlten wir uns in eine Zeit, in welcher der Alltag von Etiquette, gutem Benehmen, Anstand, Ordnung, Sitte, Verhaltensreglen und vielleicht Zwang (Aber nein, verzeih, wie kann ich das nur sagen!) geprägt war. Die noble Atmosphäre versetzte uns in Staunen. Wir wurden weiter in einen anderen Raum an unseren Tisch gebracht. Die nur durch riesige Spiegel und Fenster unterbrochen Wände waren hier bis zur Hälfte mit edlem Holz verkleidet. Die Bänke und Sessel waren mit roten Samt geziert von grünen Blättern umzogen und die Tische mit schneeweißen Tischtüchern, welche nach jedem Besuch gewechselt wurden, bedeckt.

Nachdem unsere Bestellung aufgenommen wurde, warteten wir lediglich einige Minuten bis unsere Speisen serviert wurden. Die Kellner, die uns bedienten verstärkten das Bild des traditionellen von Sitte und Ordnung geprägten Kaffeehauses. Sie trugen weiße Hemden und schwarze Sakkos und hatten insgesamt ein mehr als gepflegtes Auftreten.

Bei dem Stichwort gepflegt, muss man gleich über ein weiteres wichtiges Thema aller öffentlich zugänglichen Gebäude sprechen: Wasserklosetts. Ich hoffe inständig, dass ich damit nicht unsere gesittete Leserschaft empöre. Die Toiletten waren nur über ein Treppe zu erreichen und wurden mit dem Theater, das sich im selben Haus befand, geteilt. Die WCs selbst waren größtenteils sauber, bis auf ein paar am Boden verteilte Blätter Klopapier. Am Damen WC lösten sich am den Wänden Teile vom Verputz. Das zerstörte das Bild des romantischen Kaffeehauses ein wenig. Enttäuschend war auch, dass die Waschbecken mit den neumodernen Dyson Wasserhähnen mit inkludiertem Trockner versehen waren, sodass sich stets nur eine Person die Hände waschen und trocknen konnte. Außerdem ist es ein Irrglaube zu denken, dass sich das Wasser, beziehungsweise das Gebläse, zum richtigen Zeitpunkt einschaltet. Immer wenn man sich die Hände nass machen will, beginnt der Föhn zu arbeiten und umgekehrt.

So gehoben wie das Café selbst war, so gehoben waren auch die Preise. Eine heiße Schokolade kostete 6 €, ebenso wie heißes Wasser mit dem Hauch von Geschmack, den Blätter so abgeben. Für Kuchen und Strudel wurden je 6,30 € verlangt. Dabei ist zu erwähnen, dass man für einen Strudel mit Vanillesauce oder Schlag 9 € beziehungsweise 7,50 € zahlen musste. Dieser Aufpreis ist meiner Meinung nach (und eine Grafenmeinung ist ernst zu nehmen) nicht gerechtfertigt.

Ein weiterer klitzekleiner Kritikpunkt ist, dass sich ein so ehrwürdiges Haus dafür hergibt die offizielle Torte des SK Rapid Wien zuzubereiten. Warum muss man genau den Sport auswählen, bei dem die Spieler alle zwei Sekunden auf den Boden spucken?

Das Zielpublikum des Cafés war leicht auszumachen: reich und alt. Und mit reich meine ich pelzmantelreich und mit alt meine ich ich-habe-die-Monarchie-erlebt-alt. Doch diese hinter Falten versteckten Augen, die bei dem kleinstem Loch in einer Jean in ein ewiges Rollen verfallen, machen doch den Charme eines Wiener Kaffeehauses aus. Auch wenn diese Tendenz im Altersdurchschnitt bemerkbar war, sah man doch viele Menschen aller Generationen. Einige wenige Touristen waren auch anzutreffen.
Aber es lässt sich festhalten, dass das Café Landtmann wirklich auf Qualität setzt und nicht mit Sissi-und Franz-Torten versucht Reisende anzulocken.

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